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FAQ

 

01

Generelles 

 

Nun ist die Wirkungsgeschichte von Bildern heute noch schwerer auszuloten als zuvor, wenn Bilder inzwischen inflationär produziert und eingesetzt werden. Die ästhetische Bedeutung oder ikonische Kraft des jeweiligen Bildes verschwindet regelmäßig gegenüber den Bildfluten, die zur Aufrüstung von politischen Aussagen praktisch beliebig eingesetzt werden. Es gibt nicht mehr die Wahrheit, die sich in einer einzigen Ikone zu verdichten scheint - wie weiland etwa die Darstellung des Polizeichefs von Saigon, der einen Vietkong erschießt. Insofern löst sich das Medium "Bild" zumeist aus einer singulären einsinnigen Bedeutungszuweisung, um - oft genug - in einem widerstreitenden Patchwork medialer Wirklichkeiten zu diffundieren. Es stellt sich also schon die Frage, ob die Prämierung von Bildern nicht einem medialen, historisch tradierten Verständnis folgt, das immer noch auf einen mehr oder minder ästhetisch engagierten Bildbetrachtungsmodus setzt, der die Kraft von Einzelbildern ausloten will. Die primitiven Handyfotos von Abu Ghraib, die keinem professionellen Duktus folgten, bezogen ihre (von den Herstellern nicht beabsichtigte) Wirkung aus der unambitionierten Protokollierung dessen, was geschah. Hier wurden die politischen Effekte von der Widerwärtigkeit der Vorgänge bestimmt, denen gegenüber die Frage der professionellen Prägnanz des Mediums gegenstandslos wird.      

02

Aura der Massenreproduktion

 

Der sprichwörtliche Verlust der Aura durch Massenreproduktion ist an sich nicht beklagenswert, weil sie doch die Beteiligungschancen des Publikums an Kunst zudem in Zeiten des Internets enorm vergrößert. Dass Künstlerfotografen das durch "Reauratisierung" von Abzügen wieder aus einem legitimen ökonomischen Interesse heraus wettmachen wollen ist legitim bis überlebensnotwendig. Aber das Publikum, das sich erst im Zugriff auf ein Quasioriginal in den höheren Weihesphären der Kunst wiederzufinden glaubt, ist rückläufig. Die Demontage des Originals als Kategorie künstlerischer Welterschließung ist für ein jüngeres Publikum so selbstverständlich geworden, dass auch die Museen als exklusive Wahrnehmungsagenturen noch längst nicht alle Schrecken erlebt haben, die noch bevorstehen...   

03

Zwischen Preis und Wert

 

"Ein Kunstwerk hat einen Wert, wenn es veräußerbar ist". Zwar mag man sintemal Oscar Wilde zitieren: "A cynic is a man who knows the price of everything and the value of nothing." Aber die Korrelation zwischen vorgeblich kunsthistorisch verbürgten Gewissheiten über die Bedeutung von KünstlerInnen und dem Preis ihrer Werke ist ja nicht so vage, wie es nach dem Wilde-Zitat gelten müsste. Wer als gut gilt, ist teuer. Und die Besten sind geradewegs unbezahlbar. Wo existiert also eine alternative Kunstgeschichtsschreibung - auch für die Gegenwart - die andere Werthierarchien plausibel macht? 

04

Oberflächen

 

Seitdem Immanuel Kant glaubte, die Formulierung "interesseloses Wohlgefallen" bei der Kunstbetrachtung als Königsweg angeben zu können, sind "Kulinariker" je verdächtig, ohne Urteilskraft wahrzunehmen. Nun ist es einigermaßen grotesk bis schizoid, sinnliches Material nicht sinnlich - bis hin zur Verführung durch Oberflächen - "wahrzunehmen". Witzigerweise hat Nietzsche, der mit "tiefen" Gründen für Oberflächen plädierte, die Künstler gewarnt, sich nicht zu verrechnen:  ...denn ihre Zuschauer oder Zuhörer haben nicht mehr ihre vollen Sinne und geraten, ganz wider die Absicht des Künstlers, durch sein Kunstwerk in — eine "Heiligkeit" der Empfindung, welche der Langweiligkeit nahe verwandt ist." Sollte das Kulinarische so langweilig werden wie das Analytische? Tertium datur?

05

Ein Fleck mehr oder weniger 

 

Deutlich wird allenthalben die Mentalität, dass ein bunter Fleck mehr oder weniger an der Wand eine "Petitesse" ist. Insofern sind die Bilder in den Vorstandsetagen, in den Riesenrezeptionen oder als Bürodekor schon je Objekte, die nicht der Wahrnehmung welcher Art auch immer dienen, sondern allenfalls der zu oft leicht widerlegbaren Prätention, dass hier kreative Menschen produktiv sind. Werden die Bilder abgehängt, ist das ein Akt der Ehrlichkeit. Die von der Spielbank verkauften Warhol-Bilder hingen nun bereits seit vier Jahren nicht mehr an der Wand. Ob das der wahre Skandal ist, der nun im Blick auf zahllose Depots vervielfacht werden könnte, sei dahingestellt. Jedenfalls ist es ein Fazit, dass Kultur im engeren Sinne eine Marginalie gesellschaftlicher Agenda bleibt, was vorzüglich durch Sonntagsreden bestätigt wird, die uns erläutern, wie "existenziell" die Kunst doch ist.

 

Goedart Palm    

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